​Konfuzius sagt: „Im Traum tanzen wir wie Kraniche!“

Ihr Lieben,

Song, eingeschlafen. Hinter mir ist noch jemand unbequem weggenickt…

dieser Sonnabend ist der Tag meine Rückreise nach Hangzhou, dort wird am Abend die Liebste eintreffen.
Song „Die Erträumte“, so interpretiere ich völlig frei ihren von ihr ins Englische übersetzten Vornamen, dessen chinesische Variante ich leider vergessen habe (Song ist der Nachname, ihr Vorname würde die beiden Zeichen für Traum und nach, danach beinhalten) fährt ebenfalls dorthin und sitzt neben mir im Bus. Sie ist 20 und redet ununterbrochen, eine Mischung aus Chinesisch und kaum verständlichen englischen Brocken, tippt parallel dazu Zeichen in ihr Handy und zeigt die Übersetzungen erläuternd herum. Mühsam kann man auf diese Art Antworten auf die Mysterien chinesischen Lebens bekommen:

Das in den Innenstädten zelebrierte Tanzen ist gerade modern, vor allem unter Frauen. Das Treffen in den Parks und möglichst anmutige Bewegen in der Gruppe, zu meist chinesischen Schlagern aus Lautsprechern, wird Squaredance genannt und von den jeweiligen Stadtoberen mit Wohlwollen gesehen. Diskos gibt es nach ihrer Info jedenfalls nicht, zumindest kennt sie keine.

Im Studentenausweis, den sie mir zeigt, wird neben den üblich sinnvollen Daten die Parteizugehörigkeit erfasst. Es gibt mehrere Parteien in China, Song ist in der größten Mitglied, der kommunistischen. Sie sagt das wie „Ich fahre BMW“ – voller Stolz eben, in der größten zu sein. Sie studiert Bauwesen oder Architektur, was ihr keinen Spaß macht. Deshalb schwänzt sie seit 3 Wochen und fährt durch den Süden Chinas, ihre Lehrerin/Mentorin telefoniert ihr ständig hinterher und fordert sie zum Zurückkommen auf. Wird sie nächste Woche auch, aber da sind noch zwei, drei Städte, von denen sie schwärmt und in die sie auf jeden Fall vorher noch will.

Was ihr denn dann passieren werde, frage ich sie. Die Lehrerin könne sie gut leiden und ansonsten würde sie sich mit sehr betroffenem Gesicht entschuldigen und versprechen, das nie wieder zu tun – sie führt das sogleich vor. Sie geht davon aus, dass die Sache damit erledigt sei.

Chinesische Frauen empfinden das Aussehen chinesischer Männer oft als „blurring“ und himmeln europäische Männer an. Mir wird auf der Stelle klar, warum China das bisher einzige Land auf der Welt ist, in welchem ich als „handsome boy“ gelte und häufig für Selfies mit wunderschönen Frauen posieren darf. Muss, das wird ziemlich bestimmt eingefordert.

Song würde gern in Singapur oder in Italien wohnen, an Italien würden ihr vor allem die blauäugigen Menschen gefallen. Es gelingt mir nicht, ein eventuelles sprachliches Mißverständnis zu klären, vielleicht haben Menschen überall auf der Welt fantasievolle Vorstellungen von anderen Menschen, die weit weg leben.

Sie möchte mal drei Kinder haben, aber keine eigenen. In China gibt es viele Waisen, sie wird sich um diese kümmern.

Ich bekomme im Schnellgang noch einen Großteil der mindestens 50000 auf ihrem Handy gespeicherten Selfies zu sehen, dann gähnt sie und schläft ein.

Das scheinen alle Asiaten zu beherrschen, sobald man Zeit totschlagen muss, wird geschlafen. Ich bin vielleicht auch zur Hälfte Asiate, denn ich kann das auch, schon immer.

Bleibt gesund!

…kuss /mischenka