Ambivalenz rettet Kitsch

Wenn man die uniformierten Lakaien der Stiftung Preussische Schlösser und Gärten (spsg) mit ihren herablassenden Mienen durch die Gemächer Friedrichs des Großen stolzieren sieht, dann weiß man instinktiv, dass man sich eher dem bildungsfernen Pöbel verbunden fühlt, dass die runden 50 Euro für einen maschinengeführten Rundgang (Familienkarte!!) durch goldenen, dem Volke abgepressten Kitsch, besser in Sprengstoff angelegt wären.
Da man aber dem bildungsfernen Pöbel und seinen Deutschland-sucht-den-Superstar-Abenden genauso fremd gegenübersteht, zahlt man die Kohle für die Nippestour und lässt Sanssouci stehen.

Heinz und Gerda

Wer die Gelegenheit hat, Heinz und Gerda kennenzulernen – und diese Gelegenheit haben alle, die in ihre akustische Reichweite kommen – stellt bald fest, dass es sich bei den beiden, entgegen des ersten Eindruckes, nicht um ein gemischtgeschlechtliches Paar Menschen handelt, sondern wahrscheinlich um eine Art Fledermäuse. Insbesondere das Männchen stösst mit hoher Regelmäßigkeit die für die Gattung charakteristischen Rufe ‚Gammordorniwissn‘ und ‚Häddnsejamadranschreimgönn‘ aus, mit welchen es Artgenossen zur Lautgabe auffordert und dem Weibchen sein Bemühen um Orientierung und Wehrhaftigkeit in einer dem eigenen Wohnzimmer fremden Umgebung signalisiert. Biologen rätseln momentan über den Sinn eines solchen Verhaltens: Einerseits schliesst das schlechte Gehör der Art eine Echoortung aus, anderseits dürfte die permanente Geräuschabgabe nach einhelliger Meinung kein fortpflanzungsbegünstigendes Kriterium sein. Vom Aussterben sind die Tiere jedoch zum Glück nicht bedroht. Wissenschaftler der Universität Leipzig glauben sogar, in den Rufen sächsischen Dialekt erkannt zu haben. Auf diesem Gebiet ist also weitere Forschung nötig, bevor wir Heinz und Gerda besser verstehen werden.

Deutschland, deine Busreisen!

In Deutschland reist man archaisch mit dem Bus. Was gäbe man dafür, in einem rasant beschleunigendem Shinkansen Hikari Superexpress zu sitzen, nichts wackelt, am Tisch lässt sich problemlos die Tastatur benutzen, die Landschaft rast vorbei und nach nicht einmal zwei Stunden ist man in München, nicht zu satt und nicht zu hungrig von den Onigiris, die von bildhübschen Japanerinnen unterwegs gereicht werden.

Oder wenigstens in einem Schlafabteil der russischen Eisenbahn, draußen ist es dunkel, man schreibt noch ein wenig am Tisch, nichts wackelt, die Tastatur lässt sich problemlos benutzen, dazu ein Dosenbier oder ein Tee von der Deschurnaja, ein paar gestotterte Gespräche mit Mitreißenden, frisch und munter steigt man nach acht Stunden Schlaf in München aus.

Doch wir sind in Mitteleuropa, in Deutschland, dem Land, das eine der ersten Eisenbahnen der Welt betrieb. Mittlerweile, reichlich hundertachtzig Jahre später, ist der Zug finanziell dem Bus hoffnungslos unterlegen, hinzu kommt eine fatale Ausdünnung der Strecken. Dresden – München verschlingt im günstigsten Fall sechseinhalb Stunden und kostet das Doppelte des Busses, mindestens einmal umsteigen muss man außerdem.

Und so sitzt man da, weiß, wie es besser wäre und kann trotzdem nichts ändern. Die Sitze durchgesessen, die Autobahn voll, bei dem Gewackel undenkbar, den Tisch genannten Ausklappmechanismus ernsthaft zu benutzen.

Völliga Irrsinn,

die ham die Schleusen vakooft, jetz komm‘ jeden Tag fümf Leute, eena putzt die LEDs, eena übaprüft die Elektrik, eena die Schleusentore und so weiter, wenn’s regnet, stehn hier manchmal fümf Autos rum, in jedem sitzt eena und liest Zeitung.

Der Mann, der das Haus an der Schleuse Liebenwalde ersteigert hat.

Wann sind wir da? Ist es noch weit? Ich muss pullern!

„Andere fliegen nach Griechenland!“ „Viele in unserer Klasse machen Zockerferien, die ganze Zeit Playstation und Handy und so!“ „Or nee, ich hab kein‘ Bock!“
Die Argumente unserer Jungs waren zahlreich, letzten Endes aber nicht von Erfolg gekrönt: Sonntag früh zwanzig nach Acht fuhr uns die S-Bahn nach Schöna. Gemeinsam mit zwei Handvoll Kippenkäufern setzten wir über und noch ehe der erste Aprilscherz gemacht wurde, waren wir allein in der Edmundsklamm. Es war ziemlich kalt und feucht, 95 Kilometer lagen vor uns.

Or ja, ich hab Bock!

Corona Grillenburg

Am 11.10.2020 wurde Mischenkas Fernweh so stark und schmerzend, dass er in das sich im Tharandter Wald befindliche Grillenburg aufbrach, um die dortigen Menschen und deren Gebräuche kennenzulernen, vielleicht gäbe es ja auch etwas Exotisches zu essen, solcherlei Dingen war Mischenka nie abgeneigt.

Die Anreise über so sagenumwobene Orte wie Freital und Hartha – schon der Klang, dieses so häufig zischend falsch ausgesprochen tie äjtsch – diese Anreise war eine lange, abenteuerliche, kurz hinter Tharandt war nämlich die Straße aufgerissen und eine Ampel regelte den Verkehr.

OMG, wie aufregend!