Wie wir die Welt verbesserten

Warum der Osten tickt, wie er tickt – ein Baustein aus meiner persönlichen Sicht.

In unserer Familie wurde immer viel diskutiert. Lauthals bestätigten wir uns über die Kaffeetafel oder am Grill stehend gegenseitig, dass wir richtig dachten. Meistens ging es um die Fehler, die die Partei beim Aufbau des Sozialismus machte, falsche Planungen, fehlende Transparenz in den Medien, Altersstarrsinn der weisen Führer und den verrotteten Zustand des Kapitalismus, wie wir ihn aus Zeitungen, dem Fernsehen, dem Unterricht kannten. Man kann es auch zusammenfassen: Die da oben waren inkompetent und bekamen ihr Fett weg, die Medien waren zu parteiisch, der Zustand der Welt größtenteils schlecht. Und wir als Familie wissen das. Ach, wenn nur endlich jemand auf uns hörte.

War das bei euch auch so?

Len, Stal, Put

Der Zeitgeist redet ja seit ein paar Jahren davon, dass Duschen, nacksch mit der kleinen Zehe gegen den Türrahmen laufen, Brille suchen, damit man den Spatzen im Vogelhaus beim Quatschmachen zugucken kann, während man am Kaffee nippt, jetzt Morgenroutine heißt und dass man stetig an der Verbesserung dieser Routine arbeiten sollte.

Hab ich gemacht. Seit fast vier Wochen nun greife ich morgens routiniert als erstes zum Handy und sehe nach, ob Putin noch lebt, immer in der Hoffnung, irgendein halbwegs vertrauenerweckendes Nachrichtenportal verkündet in einer Eilmeldung, dass dem nicht so sei und jetzt alles wieder gut werde. Also nicht wirklich gut, eher weniger beschissen.

Besonders schön wäre es, wenn der Zufall ihn an einer Mücke ersticken ließe. Sie bekäme von mir Kosenamen und würde in Gedichten gepriesen, ihren Artgenossen würde ich an lauen Sommerabenden hin und wieder einen echten B-Rh-negativ mixen. Mücken würden nachträglich zum Tier des Jahres ernannt.

Ein Kriegsverbrechertribunal vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte täte es natürlich auch.

Deutschland, deine Busreisen!

In Deutschland reist man archaisch mit dem Bus. Was gäbe man dafür, in einem rasant beschleunigendem Shinkansen Hikari Superexpress zu sitzen, nichts wackelt, am Tisch lässt sich problemlos die Tastatur benutzen, die Landschaft rast vorbei und nach nicht einmal zwei Stunden ist man in München, nicht zu satt und nicht zu hungrig von den Onigiris, die von bildhübschen Japanerinnen unterwegs gereicht werden.

Oder wenigstens in einem Schlafabteil der russischen Eisenbahn, draußen ist es dunkel, man schreibt noch ein wenig am Tisch, nichts wackelt, die Tastatur lässt sich problemlos benutzen, dazu ein Dosenbier oder ein Tee von der Deschurnaja, ein paar gestotterte Gespräche mit Mitreißenden, frisch und munter steigt man nach acht Stunden Schlaf in München aus.

Doch wir sind in Mitteleuropa, in Deutschland, dem Land, das eine der ersten Eisenbahnen der Welt betrieb. Mittlerweile, reichlich hundertachtzig Jahre später, ist der Zug finanziell dem Bus hoffnungslos unterlegen, hinzu kommt eine fatale Ausdünnung der Strecken. Dresden – München verschlingt im günstigsten Fall sechseinhalb Stunden und kostet das Doppelte des Busses, mindestens einmal umsteigen muss man außerdem.

Und so sitzt man da, weiß, wie es besser wäre und kann trotzdem nichts ändern. Die Sitze durchgesessen, die Autobahn voll, bei dem Gewackel undenkbar, den Tisch genannten Ausklappmechanismus ernsthaft zu benutzen.