Kokle zupfen bei Guntis „Straumēni“ Nidolinš

‚Unnamed Road‘ befindet Google Maps und genauso sieht die Straße auch aus. Festgefahrener Lehm, unsere Staubfahne sollte für Alexander Gerst mit bloßem Auge zu sehen sein. Ohne den Storch, der an einer Kreuzung steht und uns nach Storchenart mit seinem langen Schnabel die Richtung weist, hätten wir das Haus von Guntis Nidolinš nicht gefunden.

Der alte Schäferhund, der den großen Garten mit dem geschorenem Rasen bewacht, bellt sich heißer und schafft es schließlich, dass sein Besitzer, ein freundlicher Großvater, zu uns ans Tor kommt und nach unserem Begehr fragt. Wir zeigen auf den Zettel der Touristeninformation, in welchem seine Kunst als einmalig und sehenswert für den Ort Jūrkalne gepriesen wird und fragen „A это здесь? Ist das hier?“ „Да, это здесь, но это мой сын. Ja, das ist hier, aber das ist mein Sohn.“ Vielleicht meinte er auch Schwiegersohn, so gern sprechen nicht alle Letten die Sprache des ungeliebten großen Nachbarn und ich schon lange nicht mehr so gut.

In den lettischen Dörfern, in denen wir bisher waren, gab es keine Hausnummern. Stattdessen steht der Familienname am Haus. ‚Schwiegersohn‘ könnte daher erklären, wieso an der Tür, vor der wir gerade stehen, Straumēni steht, der Künstler selbst aber Nidolinš zu heißen scheint. Ich vergesse, das zu fragen, google allerdings am Abend und erfahre auf die Schnelle, dass „Straumēni“ der Titel eines sehr bekannten Gedichts des lettischen Schriftstellers Edvarts Virza (en) ist, ein mir völlig unbekannter Anwärter auf den Literaturnobelpreis der Jahre 1935 und 1936.


Wir werden ins Haus geführt, der hinkende Hund und seine hinzugekommene Freundin Katze dürfen nicht mit hinein und dann stehen wir auch schon im Arbeitszimmer von Guntis „Straumēni“ Nidolinš. Das buntgeflickte Ledersofa ist voller Koklen, auch an der Decke hängen welche in verschiedenen Formen, große und kleine. Wir dürfen nach Herzenslust daran zupfen und schwatzen dabei radebrechend mit dem Alten, der sichtbar stolz ist. Als wir ihn fragen, was so ein Instrument denn kostet, räumt er uns zwei Plätzchen zwischen den Koklen frei und fängt an, sein Handy auf dem ganzen Grundstück zu suchen, dazu müsse er seinen Sohn befragen. 180 bis 200 Euro erfahren wir dann, sicher könne man ein wenig handeln, sein Sohn komme am Понедельник, am Montag zurück.

Zum Haben ist uns das ein bisschen zu teuer, sowas müsse man dann ja auch immer üben, bedeutet mir Julischka ermahnend. Wir verabschieden uns mit Handschlag, lassen uns vom hinkenden Hund an das Tor bringen und fahren weiter.