Kommt Zeit, kommt Bus

An der Säule 104 stehen jede Menge Menschen, Busse kommen, aus ihnen lehnt immer ein Ausrufer, der nicht zu verstehen ist, es aber sein sollte. Vor einer halben Stunde hätte mich mein rollendes Bett nach Jodhpur einsammeln sollen.


Alle anderen sind mehr oder weniger entspannt, im Gegensatz zu den Autofahrern – das muss übrigens nicht entgendert werden, hab noch keine Frau fahren sehen – diese Autofahrer stehen vor der Säule 104 in Trauben bis weit auf den Autobahnzubringer, um in die Tankstelle einzubiegen und hupen, was das Horn hergibt. Ich beschließe, meinen Puls ebenfalls nicht über Gebühr hochzufahren, was 22:15 Uhr etwas schwerer fällt als sonst.

Und siehe da, mit einer Dreiviertelstunde Verspätung hält vor mir der Sleeper Bus von „M.R. Travels“, aus der Werbung bekannt für seine Pünktlichkeit. Ich zeige mein Ticket, mache ein paar Fotos und krieche in meine Koje. Bissl kurz für europäische Maße, dafür mit zubuchbarem Fernseher, Klimaanlage, ohne funktionierende Lampe, mit ununterbrochen dudelndem Bollywoodradio. Kann man zwar ausschalten, aber warum, passt ja.
Dreiviertel des Busses ist belegt, alles Inder, keine Frau. Nach zwei Stunden des Rumdösens und Ausprobierens aller Knöpfe versuche ich zu schlafen, bevor ich hier noch pullern muss, Klo gibt‘s nämlich keins.
Nicht so einfach, wenn man das einmal im Kopf hat.

Kaum bin ich bettfertig, kommt einer der Busfahrer durch den Gang und weckt alle, wir sind an einer Raststätte angekommen. Jeder soll was essen, auf‘s Klo gehen und wieder einsteigen, dann wird geschlafen. Na gut, passt ja.
Die Raststätte ist voller Trubel, es wird Essen angepriesen, vor‘m Klo eine lange Schlange – da will ich aber auf keinen Fall hin, es hat Vorteile, ein Mann zu sein. Das wissen auch viele andere. Satt bin ich auch noch, die frittierten Momos mit Paneer an der Metrostation Dhaula Kuan waren reichlich.

Ich wache erst eine Stunde vor Jodhpur wieder auf. Mittlerweile ist es hell, am Fenster endlose, flach bewachsene Steppenlandschaft, hin und wieder Kühe. Vor jedem größeren Dorf eine Schranke und ein Wachmann.
Wir sind eine halbe Stunde zu zeitig in Jodhpur, 08:30 Uhr. Es ist bereits jetzt unglaublich warm, am Himmel keine Wolke, laut Wikipedia gibt es hier seit 2020 kein Grundwasser mehr. Regentage von Oktober bis Juni in der Regel Null.
Die blaue Stadt. Ich sehe mir das Schloss des Maharadscha an, natürlich viele blaue Häuser und werde beim Schlendern durch die Viertel von Millionen Kindern angesprochen.

„How are you?“
„Thank you I’m fine. And how are you?“
„I’m fine. What’s your name?“
„My name is Asti. And what’s your name?“
„My name is Tamyia / Aliya / Farid / Lakshmi / …“
„Nice to meet you Tamyia / Aliya / Farid / Lakshmi / …. You speak good English, better than me!“
Gelächter, Gekicher, Strahlen.
„Have a nice day, Tamyia / Aliya / Farid / Lakshmi / …. Bye Bye!“
„Bye bye.“

Erwachsene machen das auch, aber seltener. Mir kommt es immer vor, als ob die Kids die Begrüßungsfloskel gerade in der Schule gelernt haben und jetzt an mir üben. 😁

Den tausenden Verkäufern am Clock Tower sage ich immer ab, „all I buy I have to carry then.“ Bis jetzt problemlos. Jodhpur ist weit davon entfernt, die Verschlafenheit einer deutschen Kleinstadt an den Tag zu legen, in den engen Gassen ist der übliche TukTuk-, Motorrad- und Hupstress, dazwischen Radfahrer, Kühe, Ziegen, streunende Hunde. Menschen ohne Ende. Aber es ist entspannter als Delhi, sympathischer.
Morgen geht’s in die Wüstenstadt Bikaner, wahrscheinlich nur für einen Tag. Danach weiter in den Norden, mir isses hier zu heiß – und das will was heißen. 34 Grad, 11 Stunden Sonne.