Gotteshase

„Die Schokotorte dort
Kriegen wir auch noch mit fort!“
Gottes Blick fällt auf eine Bande
Breiter Buben. Eine Schande
Für die ganze Christenheit
Sie rauchten sich heut ganz schön breit

Danach kam großer Appetit
Und nach dem ultrageilen Lied
Sind sie nochmal los gezogen
Haben zwei Schlösser aufgebogen
Und stehn nun voll Begeisterung
Um Erna Meiers Tiefkühltruhn

Der Hasenbraten soll es sein
Dazu noch etwas guten Wein
Und eben diese Schokotorte
Dann schleichen sie sich schon hinforte
Man ahnt sie später gierig schlingen
Und alsbald Traumesflügel schwingen

Am nächsten Morgen steigt Frau Meier
Noch vor der Ostermesse-Feier
Hinab in ihren Mietshauskeller
Sie wünscht sich auf den Festtagsteller
Des Mittags dieses Hasentier
Mit Klößen, Rotkohl, einem Bier

Der Truhe Deckel hebt sich schwer
Doch darunter – alles leer
„Auferstanden ist er!“ kreischt sie gleich
Vor Schreck ist ihr Gesicht ganz weiß
Gedanken schießen durch ihr Hirn
Dann ist sie sicher, kann beschwörn
Dass dieser Hase Jesus war
Gott persönlich, besser gar:
Die heilige Dreifaltigkeit!
Durchdrungen von Bedeutsamkeit
Kann Erna kaum Balance halten
Sie muss gleich ihres Amtes walten
Es muss die ganze Welt erfahrn
Dass Gott in ihrer! Truhe war

So schlägt sie schnell drei Kreuze
Und aus dem Fenster schreit se
„Der Allmächtige ist wieder da!“
Jedem, der es wissen will, das sind recht viele
Erzählt sie, in immer blumigerem Stile
Dass die Dreifaltigkeit aus ihrem Keller
Fast gelandet wär auf ihrem Teller
Den meisten ist die Erna peinlich
„Vermutlich kifft die manchmal heimlich!“

Dresden 2015

Ich wohne am Großen Garten. Nach dem Abendessen gehe ich gern ein bißchen spazieren im Park. Seit einiger Zeit beobachte ich dabei immer meine Umgebung, was sind das für Leute da, wie sehen die aus, könnten die etwas gegen mich haben und so. Wenn es dunkel ist, bin ich nur noch mit Freunden unterwegs, alleine ist es zu gefährlich. Zum Glück habe ich viele Freunde, es ist aber schon ein bißchen ärgerlich.

Ein indischer Bekannter sagte dies gestern auf dem Hechtfest zu uns.
Ich war schon in vielen Ländern, sicherlich gab es dabei die ein oder andere Situation, in die ich aus Naivität geraten bin oder in der anderer Menschen Habgier zum Problem wurde. Ich habe es bisher aber noch nicht erlebt, dass ich aus Angst wegen meiner Herkunft oder Hautfarbe abends nicht mehr vor die Tür gehen möchte. Hier ist anscheinend die Zivilisation auf dem Rückzug.

No luck!

In der zweiten Hälfte seines Lebens versuchte Bernd Lucke immer und immer wieder, eine Partei nach seinem Ebenbild zu schaffen, was ihm auch beinahe gelang: Die Ergebnisse waren alle mausgesichtig, ziemlich klein und sprachen mit der Umwelt in einer Stimmlage zwischen Donald Duck und Adolf Hitler. Nur die überragende Bedeutung, die Lucke an sich selbst feststellte, ließ sich irgendwie nicht auf die Gruppierungen übertragen.

Klaus-Dieter, blöder Mieter!

Der Dresdner Bürger Klaus-Dieter
War in seiner Wohnung Mieter
Und als im Herbst die Blätter fielen
Faulten bei ihm sieben Dielen

Das war Klaus-Dieter nicht geheuer
Eigentlich wohnt er recht teuer
Bezahlte sogar jährlich mehr
Das Wohnen fiel ihm manchmal schwer

Auf der andren Seite war der Fritz
Klaus-Dieters Wohnung – sein Besitz
Und er hatte tausend mehr
So lief das Geld ihm hinterher

Er sprach: „Ein jeder hat die Möglichkeit
Soviel wie ich zu haben, jederzeit!
Nur sind die andern eben leider
Nicht so fleißig. Neider!“

Das hörte zufällig Klaus-Dieter
Schon schwoll die Zornesröte wieder
Er kam gerade von der Schicht
Das Bier war kühl, sein Ärger nicht

Er schnappte sich ein altes Laken
Und begann darauf zu krakeln
„Die Ausländer sind unser Tod“
„Die fressen unser ganzes Brot“

Damit ist er losgezogen
Um Banken machte er ’nen Bogen
Traf sich mit andern an der Elbe
Die Deppen brüllten alle dasselbe

Der Fritz besah sich mittlerweile
Eine neue Häuserzeile
„Der Spielplatz dort muss aber weg“
Dann unterschrieb er einen Scheck

Ein zweiter Scheck ging an die NPD
Ihm tät es nämlich ziemlich weh
Wenn jemand dieses Spiel durchschaut
Und ihm auf die Fresse haut.

Heinz und Gerda

Wer die Gelegenheit hat, Heinz und Gerda kennenzulernen – und diese Gelegenheit haben alle, die in ihre akustische Reichweite kommen – stellt bald fest, dass es sich bei den beiden, entgegen des ersten Eindruckes, nicht um ein gemischtgeschlechtliches Paar Menschen handelt, sondern wahrscheinlich um eine Art Fledermäuse. Insbesondere das Männchen stösst mit hoher Regelmäßigkeit die für die Gattung charakteristischen Rufe ‚Gammordorniwissn‘ und ‚Häddnsejamadranschreimgönn‘ aus, mit welchen es Artgenossen zur Lautgabe auffordert und dem Weibchen sein Bemühen um Orientierung und Wehrhaftigkeit in einer dem eigenen Wohnzimmer fremden Umgebung signalisiert. Biologen rätseln momentan über den Sinn eines solchen Verhaltens: Einerseits schliesst das schlechte Gehör der Art eine Echoortung aus, anderseits dürfte die permanente Geräuschabgabe nach einhelliger Meinung kein fortpflanzungsbegünstigendes Kriterium sein. Vom Aussterben sind die Tiere jedoch zum Glück nicht bedroht. Wissenschaftler der Universität Leipzig glauben sogar, in den Rufen sächsischen Dialekt erkannt zu haben. Auf diesem Gebiet ist also weitere Forschung nötig, bevor wir Heinz und Gerda besser verstehen werden.