Buddha und die Skifahrer
Ihr Lieben,
ich habe den Fujisan natürlich doch noch gesehen, sogar mit Schneekappe auf dem Kopf. Als ich nämlich am nächsten Morgen halb Sechs durch den feinen Piepton der Armbanduhr geweckt werde, ist der Himmel strahlend blau, zumindest verspricht er das zu werden, die Sonne geht gerade auf. Ich springe aus dem Bett, wie die restlichen 8 Leute in meinem Zimmer auch, ziehe mich an und wandere mit Kamera los.
Es ist gar nicht so einfach, auf die Schnelle ein gutes Plätzchen zu finden, Taxis verlangen für die Fahrt zu den berühmtesten Fotostellen fast einhundert Euro, Busse fahren noch nicht und wären auch ziemlich teuer. Fujikawaguchiko lebt hauptsächlich vom Berg. Der Weg aus der Stadt ist endlos, ähnlich wie bei uns rücken betuchte Japaner mit ihren Häusern dem Fujisan immer mehr auf die Pelle. Der Regen, der laut Wetterbericht bis vor eineinhalb Stunden hier herunterkam, lässt immer dichtere Nebel aufsteigen, langsam verschwindet die Landschaft wieder im Weiß. Ich knipse an günstigen Stellen ein paar Bilder, kaufe mir im nächsten FamilyMart oder 7 Eleven, zwei Märkte, die es an jeder Ecke gibt und die sieben Tage in der Woche vierundzwanzig Stunden aufhaben, ein paar Hörnchen und Onigiri, umd tingel zurück ins Hostel, wo ich gegen 8:00 Uhr ankomme.
Verkäuferin möchte man hier nicht sein. Viele der (Super)märkte bieten neben den normalen Waren auch heiße Suppen und mir unbekannte Speisen an, man wäre also auch noch Koch. Für mich ist der Umstand, dass es die Läden gibt, natürlich ideal, gerade die Snacks wie Onigiri, kleine Reisdreiecke oder -kugeln, mit einem getrockneten Algenblatt umhüllt und mit Fisch, Fleisch, Kaviar oder Gemüse gefüllt, bringen einen gut über den Tag, auch wenn ich nie vorher weiß, was drin ist. Außerdem bieten Familiy Mart und 7 Eleven kostenloses WLAN und international taugliche Geldautomaten, letzteres ist keine Selbstverständlichkeit in Japan, es sind also richtig praktische Orte.
Ich habe mir einen Zug gegen halb Elf herausgesucht, was mit www.hyperdia.com ganz einfach geht, packe meinen Krempel zusammen, sehe draußen auf einmal Sonnenschein und beschließe, auf dem Weg zum Bahnhof noch einen Abstecher über einen nahegelegenen Berg zu machen. Von dort hat man einen guten Ausblick über die ganze Umgebung. Das war genau die richtige Entscheidung.
Im Zug bin ich froh, als die ersten Palmen auftauchen, ich bin eher ein Sommermensch. In Yokohama, wo ich Richtung Nagoya umsteigen muss, sind schon angenehme 25°. Das ändert sich auf dem Weg in die japanischen Alpen wieder. Takayama ist ein typischer Touristenort für diese Region und außerdem recht berühmt für seine authentische Architektur. Der Zug ab Nagoya fährt weite Strecken nur bergauf und stöhnt und seufzt dabei wie in einem nicht jugendfreiem Film. Die Palmen verschwinden langsam wieder, die Landschaft sieht aber herrlich aus, enge Täler mit türkisblauen Flüssen, die Berge gehen bis auf 3100 Meter hoch.
Das Hostel J-Hoppers Takayama liegt am Rande der Altstadt, ich habe in einem 6 Bett Zimmer gebucht. Am Abend sitze ich mit dem japanischen Hostelmenschen und einem türkischen Chirurgen zusammen und wir unterhalten uns bei Dosenbier aus der »Beer Vending Machine«. Als ich dabei erzähle, dass bei uns die Speisen und Getränke auf Reisen, also auf Bahnhöfen, Raststätten, in Zügen, deutlich teurer als normal sind, guckt mich der Japaner mitleidig an, das ist hier nicht üblich, dafür kostet in Japan die Maut zwischen 10 und 15 Euro umgerechnet – pro 100 Kilometer, wohlgemerkt. Und es stimmt, dass man in Japan, zumindest wenn man in den Städten wohnt, bei der Zulassung eines Autos einen Parkplatz nachweisen muss. Hat man keinen, kann man eben kein Auto besitzen bzw. muss den teuer mieten. Das alles macht den Zug natürlich attraktiv. Ich selber finde das nüchtern betrachtet sinnvoll, eine Fahrt über die Autobahn nach Geising würde dann aber tatsächlich genauso viel kosten wie eine Familientageskarte für Bahn und Zug (27,50€ wenn ich mich recht entsinne), Sprit soll auch deutlich teurer sein.
Takayama ist ein Berg»städtchen« (mir kommt es ziemlich groß vor) und aufgrund der Touristen relativ teuer, hier muss ich bisher am längsten suchen, um ein preiswertes Kneipchen zu finden. Das liegt sicher an der lokalen Spezialität, dem Hida-Fleisch. Rinder sind nunmal teurer zu halten, als Fische zu fangen. Der Ort ist ansonsten von Tempeln, Museen und vor allem den Bergen geprägt. Diese sind bewaldet, es soll Bären geben, vor denen man allerdings Reißaus nehmen soll (so die wörtliche – deutsche!, das ist selten – Übersetzung in der Touristeninformation). Den ganzen Tag wandere ich herum, die Sonne scheint, im Schatten und im Wald ist es allerdings ziemlich kalt, Bären sehe ich keinen, dafür jede Menge Tempel und Friedhöfe. Einmal höre ich sogar einer buddhistischen Zeremonie zu. Klingt cool, die rhythmische Trommel und der monotone Gesang dazu, regelrecht tanzbar. Irgendwann ist es aber gut, von Tempeln habe ich nun wirklich genug. Der Tag vergeht wie im Flug, wie alle Tage. Ehe ich mich versehe, liege ich schon wieder im Bett.
Am Sonnabendvormittag geht es zurück nach Tokyo, morgen kommt die Liebste.
Wir nähern uns dem Ende der zwei Wochen, in denen ich allein unterwegs war. Es war herrlich. Vielleicht ist das unstete Sich-treiben-lassen ein lange vernachlässigter Teil meiner Person, den ich ab und zu mal streicheln sollte. Außerdem fällt mir das Schreiben allein in der Fremde leicht(er) – genau danach suche ich. Jetzt freue ich mich jedoch riesig, morgen früh hole ich die Liebste vom Flughafen Narita ab. Zu zweit wird Japan noch schöner.
Japan ist ein herrliches Land, das hat man hoffentlich herausgehört. Meinen Kindern würde ich raten, hierhin die erste große Reise zu unternehmen, als Eltern könnten wir zu Hause beruhigt schlafen – und es ist nicht soo teuer, wenn man den Flug und den Japan Rail Pass einmal bezahlt hat (in meinem Fall waren das insgesamt 900€), gleichzeitig aber sehr fremd. Alle anderen müssen natürlich ebenso nach Japan, so sie können, allein das Essen ist meiner Meinung nach die Reise wert.
Bleibt gesund!
… kuss /mischenka