Ordnung und Schönheit

Logisch, dass es ziemlich heftig anfängt zu regnen, als wir uns zum Trampen an die Straße stellen. Wir bringen Glück, dazu zählt heutzutage auch vreme proastă, Mistwetter.
Ich komme gerade noch so zum Pullern, da hält Julischka schon den ersten Fernlaster an, schwer mit Holz beladen, darin sitzt Constantin, grinst und öffnet die Beifahrertür.


Wir sind seit Sonnabend unterwegs, die Via Transilvanica ist unser Ziel.
Die ersten Tage rasen wir – sämtliche Tempolimits missachtend wie alle anderen auch – bei sengender Hitze durch Ungarn und Rumänien und lassen das ursprüngliche Ziel Sibiu/Hermannstadt erstmal fallen, dort sollen 37 Grad und mehr werden, zu heiß für Abenteuer. Stattdessen weichen wir nach Norden in die Bukowina aus. In Putna, kurz vor der ukrainischen Grenze, nimmt die Via Transilvanica ihren 1400 Kilometer langen Lauf.

Das Auto bleibt in Dorna Candrenilor bei Ella stehen, es passt nicht in den Rucksack. Ella hat mit ihrem Mann ein Stück ehemalige Weide in einen Campingplatz verwandelt, ein funktionales und schickes Haus darauf gebaut und ist jetzt die gute, fließend Englisch sprechende Seele für Reisende aus der ganzen Welt.
Zwei sehr nette Mitcamper nehmen uns ein stattliches Stück mit in die richtige Richtung, dann halten wir im Regen den Daumen raus.

Constantin hat zwei Töchter, seine Frau arbeitet unter anderem in der Spargelernte. Rumänien tauscht seit langem einen guten Anteil seiner unglaublich fleißigen Menschen gegen Spatzen und Insekten. Die einen helfen uns beim Zubetonieren Deutschlands, die anderen flüchten davor.

Wir zeigen uns gegenseitig Bilder unserer Familien, seinen deutschen Chef aus Straubing bekommen wir auch zu Gesicht. Zwischendurch hält er an, versorgt uns mit noch warmen, leckeren Mohnbrezeln und zwei Wasserflaschen, ruft zweimal seine Tochter an, um sicher zu gehen, dass wir in der für uns richtigen Richtung unterwegs sind. Sie spricht sehr gut Englisch und übersetzt, unser Rumänisch ist, nun ja, nicht vorhanden. Româna este o limbă dificilă pentru mine, Rumänisch ist für mich eine schwere Sprache.

Dreieinhalb Stunden später, ab Rădăuți, zieht uns eine starke Lok durch die Landschaft bis Putna. Dort im Kloster wartet auf uns ein Fünfbettzimmer für 4 € pro Person, bis jetzt sind wir die einzigen. Und holen uns den ersten Stempel für das „Traveller‘s Booklet on Via Transilvanica“. Mal sehen, wie viele wir schaffen.

Vorbereiteter Lückentext auf Rumänisch 😍 – Auszug aus dem Wanderführer

Die Etappen auf der Via Transilvanica sind zwischen 17 und 30 Kilometer lang. Man sendet am Abend vorher eine Anfrage per SMS in den nächsten Ort, mit der Bitte um Nachtquartier. Dorthin wandert man am nächsten Tag, singend und schwatzend, damit die Bären eine reelle Chance haben, uns zu hören und abzuhauen.

Je nachdem, wie fertig ich abends dann immer bin, in den nächsten Tagen mehr davon.

PS: Warum Ordnung und Schönheit?

Wenn ich unterwegs bin, stelle ich mir oft vor, ich wäre nicht in Dresden geboren, sondern würde ein Leben der Einheimischen führen. In Rumänien hieße ich bestimmt Cosmin, der Name bedeutet Ordnung und Schönheit. Das Universum liebt solche Witze. Ich wohnte in Bologa in einem niedlichen, etwas verfallenem Haus direkt am Sācuieu, dessen Wasser leise murmelnd die Flaschen der Deutschen kühlt, die heute mit ihrem Bus einfach so am Ufer parken.
Morgens bände ich mein Pferd neben ihrem Auto an, halb sechs merken die das gar nicht. Es schlüge dann mit dem Schweif beim Bremsenverjagen immer gegen die Heckklappe, weil es sich in der Anhängerkupplung verheddert hätte. Ließe sich davon aber nicht beirren, sondern schnurpste so laut Grünzeug, dass die Touristen in ihre Träume schon mal wilde Bären einbauten. Ich stünde derweil auf der Brücke und überlegte, auf welche Fische ich heute angeln sollte.

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Musik der Stunde – Judith van Waterkant