„Schreib‘s doch endlich mal zu Ende, wir sind ja längst wieder zu Hause. Alle denken, wir sind den Rest unserer Tage in Indien unterwegs!“
Julischka will erstmal nicht für immer hier bleiben, dabei ist es wunderbar!
„Elephants crossing zone“ steht als Warnschild am Straßenrand. Irgendwie hat es ein besonders großes Exemplar sogar in den Jeep neben mich geschafft. Er schwitzt, der Elefant, meine Schultern staken immer wieder in seine nassen Achseln. Und er telefoniert ununterbrochen und laut, vermutlich bestellt er Essen.
Das klingt aus der engen Not heraus ein bisschen sehr gemein, ich muss mich dafür entschuldigen. Wir sitzen zu viert auf einer Sitzbank, die für drei Menschen gemacht ist und fahren in engen Serpentinen von Darjeeling über Kurseong nach Siliguri, unsere Körper wirft es im Wechsel von links nach rechts und von rechts nach links.
Die Indys ernähren sich häufig nicht besonders gesund. Es gibt viele fast unsichtbare, kleine, schmächtige, wahrscheinlich unterernährt und oft körperlich hart arbeitend. Mittlerweile aber auch eine große Anzahl deutlich zu dicker, bewegungsfauler Fastfood-Indys, die eigentlich auf den für drei Menschen gedachten und von mindestens vier Personen genutzten Sitzreihen in den Jeeps zwei Plätze bezahlen müssten.
Die Großstadt Siliguri liegt 2000 Meter tiefer als Darjeeling, es wird mit jeder Minute wärmer. Wenn es nicht so diesig wäre, könnte man mehr von der Gangesebene sehen, bis zum Horizont schlängeln sich breite Flussarme.
Durch die offenen Fenster riecht es immer intensiver. Uns erwarten deutlich über 30 Grad und der übliche bunte Wahnsinn indischer Großstädte.
Indien hat tatsächlich einen eigenen Geruch. Eine Mischung aus schwelenden Feuern von Plastikflaschen und anderem Müll am Straßenrand, Diesel- und Benzinabgasen, Räucherstäbchen, Kuhfladen, Urin, Gewürzen, Parfüm, Kanalisation, Straßenständen, wo scharfes brutzelt und was weiß ich noch allem. In den Bergen lässt dieser Geruch deutlich nach, die Luft wird besser, wenn die Zivilisation sich auch für indische Verhältnisse etwas spärlicher ausbreitet.
Die erste Etappe nach unten sind wir natürlich mit dem Weltkulturerbe gefahren. Eine alte Schmalspurbahn der Briten, Toy Train genannt, bringt uns mit doppelter Schrittgeschwindigkeit, ununterbrochenem Tuten, Ächzen und Knarren und fantastischen Ausblicken über den Himalaya von Darjeeling nach Kurseong. Auch wenn Wikipedia von Brokatsitzen in der 1. Klasse, komfortabler 2. Klasse und befahrener Strecke bis Siliguri schreibt – in der Realität gibt es einen einzigen Waggon, die Fenster lassen sich nicht schließen und die Sprelacartwände sind bar jeglichen Glamours, was aber nicht stört, man sitzt bequemer als im Jeep. Vor ein paar Jahren hat außerdem ein Erdrutsch einen Teil der Strecke lahmgelegt, seitdem liegen Kühe und Ziegen im Flachland auf dem Gleis und kauen ungesundes Zeug. Der Zug fährt nur bis Kurseong, ungefähr die halbe Strecke.
Es wird allerdings jede Menge Brimborium um die Zugfahrt gemacht und vom Bahnhof in Darjeeling hat man einen unglaublichen Blick zum Kandchenzönga.
Unser nächstes Homestay befindet sich außerhalb der Stadt auf halbem Weg zum Flughafen. Siliguri ist nicht für Sehenswürdigkeiten bekannt. Es gibt jede Menge Militär, das den „Hühnerhals“, den Siliguri-Korridor bewacht – die schmale Verbindung in den Nordosten Indiens, zwischen Nepal und Bangladesh.
Und es gibt einen Safari-Park. Der wird uns von Michelle empfohlen, der Tochter des Homestay-Betreibers. Sie organisiert uns flugs einen Rikschafahrer zum Festpreis von 1000 Rupies/11 Euro, der uns einen Tag lang erst zum Tiger-Sightseeing, dann in ein buddhistisches Kloster und zu guter Letzt in die City Centre Mall zum Shopping fährt.
Von alleine wären wir sicher nicht auf die Idee einer Safari gekommen. Wir hätten was verpasst! Julischka darf vorn neben dem Fahrer im Safari-Bus sitzen, ich hinten inmitten begeisterter Indys, die laut schwatzen, aufspringen, alle zur linken Seite stürmen, da sitzt ein Bär. Ziemlich gelangweilt kauert er da, wirklich gesund scheint er auch nicht zu sein, er steckt sich immer die Hinterpfoten ins Maul.
„Ich interessiere mich sehr für die Natur, mache bei jeder Gelegenheit Safaris mit, da bin ich der Wildnis so nahe!“, erklärt mir ein junger Mann aus Kalkutta. Er ist Anästhesist, seine Frau sei Meeresbiologin, sie erforscht das Unterwasserleben, kann aber nicht schwimmen, geschweige denn tauchen erzählt er lachend.
Langsam schaukelt der Bus durch die verschiedenen, voneinander abgegrenzten Habitate. Damit die Natur nicht zu echt wird und die Rehe von Leoparden gefressen werden, sind die einzelnen Bereiche durch Schleusen voneinander getrennt. Der Busfahrer weiß vorher, wo man auf die Bewohner trifft und kündigt jedes Tier durch laut gesungene Lieder an. Im Bus ist es dadurch mindestens so exotisch wie draußen. Zwei gut genährte bengalische Tiger verfolgen uns halbherzig, die Wogen schlagen hoch, alle Handys filmen durch die Heckscheibe.
Der zweite war zu vollgefressen und hatte zu diesem Zeitpunkt schon aufgegeben. Hätte ich auch bei der Hitze.
Unser Rikschafahrer erwartet uns vor dem Safari-Park am dafür vorgesehenen Parkplatz. Der kostet 50 Rupies und ist von seinen Fahrgästen, also uns, zu bezahlen. Es ist in Indien üblich, sich durch die Gegend fahren zu lassen, den Fahrer quasi zu mieten. Homestays, Sehenswürdigkeiten oder Shopping Malls haben immer extra Bereiche, wo sie schlafen, warten oder etwas essen können. Ich vermute, dass andere Menschen durch die Gegend fahren ein maßgeblicher, nicht zu unterschätzender Wirtschaftszweig Indiens ist.
Weiter geht es zu einem ziemlich großen Tempel, danach verfallen wir in Siliguris neuer Shopping Mall in Kaufrausch. Es gibt sogar einen Decathlon mit unfassbar niedrigen Preisen – logisch, ist ja auch in hier in Deutschland oft Made in India. Wir müssen dort eine zusätzliche Reisetasche kaufen, um Stoffe, Räucherstäbchen und Pullover unterzubringen. Die wird zum Glück erstmal nur halbvoll.
Nach ein paar Stromausfällen auf dem Flughafen Bagdogra, sechs verschiedenen, wichtigen! Stempeln auf unserem Flugticket und einem zweieinhalbstündigen Flug, bei denen wir den schneebedeckten Himalaya-Gipfeln zum Abschied winken können, landen wir in Delhi bei Katja in der Wohnung. Dankeschön für Deine Gastfreundschaft! Komm mal nach Dresden zu uns! ❤️ Am nächsten Tag füllen wir noch schnell den Rest der neuen Reisetasche, unter anderem im FabIndia. Der nächste Sommer kann also kommen!
Hoffentlich lässt er sich nicht allzuviel Zeit.
Indien war wieder herrlich!